Wer ander’n eine Grube gräbt, oder: Auf der Suche nach der Pfahlwurzel

Regnet es? Mooooment! Ich stürze äußerst undamenhaft zum Fenster, um mich zu vergewissern, dass es draußen trocken ist. Die Nässe dunstet langsam weg und helle Flecken bilden sich auf der Straße. Reicht. Hiermit eröffne ich meine persönliche Gartensaison. Nun stehe ich auf der Terrasse, startklar in Gummistiefeln, und überblicke unseren Garten, eigentlich eine vollkommene Wildnis.

Wenn man sich vorstellt, dass bis vor drei Jahren hier jahrelang unberührt ein Baumparadies wucherte, hat sich in der Zwischenzeit tatsächlich die eine oder andere Gartenstruktur entwickelt. Es klingt zunächst höchst romantisch, alter Baumbestand: sieben Holundersträucher, vier Kirschbäume, eine Mega-Mirabelle, eine Pflaume, zahllose Haselsträucher und ungefähr 13 Fichten. Es klingt nach einem romantischen Landschaftspark, fehlt nur noch die Rotbuche mit der langen Schaukel. Stattdessen Waldboden soweit das Auge reichte. Das Grün, welches auf dem Boden durch die braunen Nadeln schimmerte, war weiches Moos in flauschiger Vollendung. Die Gartenlust wurde schlagartig zum Gartenfrust; das einzig Positive war, dass nicht einmal Unkraut in diesem Forst eine Chance hatte…

Zum Glück hatten wir einen waschechten Forstwirt an der Hand und meinen Mann mit einem glücklichen, vor allem ausgebildeten, Händchen an der Kettensäge. Es wurden sieben der zig-hohen Fichten gefällt, sämtlicher Holunder gestutzt (was soll man auch mit so viel Sirup?!) und die 57 Haselsträucher entpeitscht (die Zweige würden ohnehin in drei Wochen wieder nachwachsen). Eine romantische Rotbuche war weit und breit nicht in Sicht. Potentielles Brennholz wurde gestückelt und im unteren Gartenbereich gestapelt. Das war unser Glück, der Garten war aufgeteilt in einen „formellen“ und in einen wilden Gartenbereich hinter dem Zaun, in dem unser Sohn später sein Baumhaus in dem Urwald würden bauen können.

Unser einstiges Baumparadies…Und hier fehlen schon die Fichten!!
So so sah es immerhin schon letzten Sommer aus!

 

 

 

 

 

 

 

Wie dem auch sei, ich stehe gummibestiefelt auf unserer Terrasse und blicke in die Weite unseres Gartens hinunter. Seit dem vergangenen Jahr war wenigstens etwas Grund eingekehrt und man konnte Teilbereiche sogar vielseitig florale Rabatten nennen. Ich erinnere mich an die Unkrautplantage im Frühling vom vergangenen Jahr. Kaum waren die Bäume verschwunden,  waren sie plötzlich da- Disteln, Giersch, Brennnesseln, Löwenzahn und Co. Mein Killerinstinkt war geweckt. Ich versuchte alles, von Haarspray bis Jodsalz. Bis sich die ganzen gewollten Pflanzen etablieren konnten, musste Raum geschaffen werden. Ich saß mit ausgestreckten Beinen auf dem Acker welcher einmal mein Gartenbeet werden sollte und rupfte und stach. Hey, was für Wurzeln kann Löwenzahn haben!!?!?? Alles wurde vernichtet. Nun ja, so glaubte ich jedenfalls. Einen Sommer lang war ich unentwegt entsetzt darüber, was sich trotz meiner harten Arbeit im Frühjahr erdreistete, wieder aufzutauchen.

 

Dieses Jahr soll anders werden. Ich stehe also immer noch auf der Terrasse und blicke hinab auf den Garten. Wie heißt es so schön: Packen wir’s an! Ich hole Rechen, Spaten, Kralle, Handspaten und Schere/ Zange/ Kneifer aus dem Schuppen. Ich bin wild entschlossen unserem Rasen endlich eine Kante zu verpassen. Dem abgelutschtem Rindenmulch und dem jungfräulich-treibenden Unkraut rücke ich mit einem seltenen Vernichtungstrieb auf den Leib. Alles bekommt einen neuen Namen. Das noch nie da gewesene anmutig rötlich-schimmernde Zeug heißt fortan Rote Bete, der unbändige Löwenzahn Petersilienwurzel und die Disteln – nein, das sage ich jetzt nicht! Und welche Gewächse, seien sie auch noch so klein, alle ihre Wurzeln geradewegs in die Untiefen treiben!! Die perfekte Pfahlwurzel schlägt auf halbem Wege noch eine unerwartete Kurve.

Mein Handspaten hat den Maulwürfen Guten Tag gesagt, sie im Fell gekrault und ihr Mittagessen gekocht. Und wenn dann fast das Grundwasser zu sehen war, machte es Knack und diesen dummen Wurzeln fehlten die letzten drei Meter. Interessant ist hierbei, sobald man versuchte den Wurzelrest auszugraben und man bereits kniehoch in der Grube stand, zog sich das Wurzelende scheinbar in die Tiefen der Erdkugel zurück, um dort unten neue Energie zu sammeln und sich vier Tage später in neuer Pracht an der Oberfläche, was natürlich mein Rosenbeet ist, zu entfalten. Diese hartnäckigen Geschöpfe strotzen mit überdimensionaler Kraft und noch nie dagewesenem Blattgrün. Ihr gehässiges Lachen schallt durch den gesamten Garten.

Unkraut ist wie ein Netzwerk. Oder wie diese Kreaturen, die sich bei Kontakt mit Wasser unzählig vermehren. Ich meine mich zu erinnern, dass ich bereits im vergangenen Jahr an selbigen Stellen bereits 6784 Pfahlwurzler ausgegraben glaubte…

Jeder, der in einer Gartenzeitschrift blättert kennt es – „Ich will, dass es JETZT und sofort so aussieht!“ Niemand sagt, wie viele Jahre man dafür kratzen und graben und stechen muss, bis der Blumengarten so perfekt aussieht wie bei unseren englischen Freunden.

Der Kampf gegen die Pfahlwurzel geht weiter. Sie sind sehr hartnäckig, aber das bin ich auch!

 


9 Gedanken zu “Wer ander’n eine Grube gräbt, oder: Auf der Suche nach der Pfahlwurzel

  1. Hurra – endlich wieder Gartenzeit! Sehr schöner Artikel, der mich im Geiste schon die Ärmel hochkrempeln und die Gummistiefel entstauben lässt…nächste Woche hole ich mir erst mal Hilfe vom Profi….und dem Giersch wird wie von dir empfohlen mit Kartoffelwasser der Kampf angesagt! Am wichtigsten sind aber die kommenden lauen Sommerabende, an denen wir weißweintrinkend um die Feuerschale sitzen….in der Dämmerung fällt auch das Unkraut nicht mehr auf oder kommt als wild-romantischer Wuchs daher…wie war das nochmal: „Wenn du die Dinge nicht ändern kannst, ändere deine Einstellung dazu…“

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    1. Liebe Hausmarke,

      Du hast vollkommen Recht, im dämmrigen Kerzenlicht auf der Terrasse verwischen die Genauigkeiten und er wird so romantisch, dieser alte Baumbestand, mit der imaginären üppigen Rotbuche und dem Ausblick auf den glitzernden See am Ende des Gartens. Macht ja nix, dass es sich hierbei nur um eine alte Zinkwanne handelt… Immerhin mit Seeröschen!!
      Die neue Mission: Kocht mehr Kartoffeln, Freunde! Giersch adieu!!
      Ganz viel Erfolg mit dem Gartenprofi, baut er auch Spinnenzäune!?!?
      Wir machen uns einen schönen Sommer, da bin ich sicher!

      Herzlichst,

      Deine Kate.

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    1. Das stimmt, liebe Lady Hazletine. Es ist ja eigentlich doch Auslegungssache… Letztlich ist es doch wie mit der Kunst: Wer bestimmt denn, wann es sich um Kunst bzw. Unkraut handelt?!?!

      Diese Abordnung „Wildkräuter“ in meinem Garten gefallen mir leider gar nicht, gelbe Blüten hin oder her…!!

      Herzlichst,

      Kate.

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